19 Sie ist die Heilige der gelebten Nächstenliebe. Was Elisabeth so außergewöhnlich macht, ist in erster Linie die absolute und unbeirrbare Konsequenz der Nachfolge Christi, umso mehr vor dem Hintergrund ihrer Herkunft… „Gott war für sie Wirklichkeit. Sie hat ihn als Wirklichkeit genommen und ihm darum Zeit in ihrem Leben eingeräumt, sich ihn und seine Nähe etwas kosten lassen. Und weil sie Gott wirklich entdeckt hat, weil Christus ihr nicht eine ferne Gestalt, sondern der Herr und Bruder ihres Lebens geworden war, darum hat sie von Gott her den Menschen, das Abbild Gottes entdeckt, und darum Gottes Gerechtigkeit und Gottes Liebe unter die Menschen tragen wollen und können. Nur wer Gott findet, kann wahrhaft menschlich werden[1], so hat es Josef Kard. Ratzinger 1991 in einer Predigt formulierte …

 

Elisabeth von Thüringen war so durchdrungen von der Liebe zu Gott und von seiner Nähe und dem Bewusstsein alles in Gottes Hände legen zu dürfen und zu können, dass sie ihre ganze Kraft in den Dienst am Nächsten stellte, in dem sie eben gerade Christus selbst erkannte. Fast wie das Credo ihres Wirkens klingt ein Satz, der von ihrem Sterbebett überliefert wird: „Wir müssen die Menschen froh machen“… sie hat es getan, nicht durch fromme Worte, sondern durch das eigene Leben, als ein Mensch, der an Gottes Hand geht.

Elisabeth wird 1207 in die absolute Oberschicht der damaligen Zeit hineingeboren und aufgrund der von den Familien ausgehandelten Heirat zwischen ihr und dem Sohn des Landgrafen von Thüringen wuchs sie auch an einem der wichtigsten, mächtigsten und glanzvollsten Höfe des Reiches auf, an den sie schon mit vier Jahren kam. Elisabeth versuchte ihre Pflichten als Ehefrau, Mutter und Landesherrin zu erfüllen, was aber mit ihrer immer inniger werdenden Frömmigkeit nicht immer leicht mit den daraus resultierenden Verpflichtungen zu vereinbaren war und zu erheblichen Irritationen am Hofe führte.

 

Elisabeth war mit den zu Beginn des 13. Jh. durch Franziskus von Assisi und Dominikus aufkommenden monastischen Armutsbewegungen in Berührung gekommen und diese Art der Nachfolge in völliger Armut und im Dienst an den Ärmsten und Ausgestoßenen hat sie zutiefst berührt. Dieser Weg entsprach anscheinend ihrem Wunsch einer konsequenten Nachfolge, für Kreuzesnachfolge aber vor allem Nachfolge im Dienst an der Schwester und am Bruder. Sie kümmerte sich mehr als es für Frauen ihres Standes üblich und nötig gewesen wäre um die Armen und Kranken und zog sich damit in den Kreisen des Hofes viel Abneigung zu.

 

Elisabeth passte exzellent zur Spiritualität des Ordens. Die Brüder vom Deutschen Haus stellten sich unter das Zeichen des Kreuzes. Auch Elisabeth hat ihr ganzes Dasein unter den Schein des Kreuzes gestellt, all ihre Kraft aus der Liebestat des gekreuzigten Jesus gezogen. Sie ist ganz bewusst nicht in ein Kloster eingetreten (wie etwa ihre Schwiegermutter es getan hatte) und hat sich nicht in die Stille der Klausur zurückgezogen, was der landgräflichen Familie wahrscheinlich lieber gewesen wäre. Sie wollte ganz bewusst in der Welt leben und dem bedürftigen Menschen beistehen, weil sie in ihm Christus erkannte. Elisabeth ist der Idealtyp der Nachfolge Christi: Alles hinter sich lassen, Macht, Reichtum und Luxus als etwas Geringes zu achten und sich ganz denen widmen, die niemand haben will, die keiner anfassen möchte, die an den Rand gedrängt werden, die einfach durch das Raster fallen. Das was sie tat, war im Prinzip genau das, wonach der christliche Ordensritter strebte (bzw. streben sollte): Christus nachzufolgen, ohne sich durch irdische Bindungen ablenken zu lassen, ganz Gott zu gehören und sich seiner Fügung, seinem Willen völlig anzuvertrauen … Trage das Kreuz des Ordens und zeige damit, dass Gott in dir und mit dir ist…“ heißt es seit alters her bei der Überreichung des Ordenskreuzes. Danach streben wie Elisabeth für die anderen zu leben. Das macht sie zum idealen Vorbild für den Orden, das prädestiniert sie absolut die Ordenspatronin der Brüder und Schwestern vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem, aber auch der Familiaren zu sein.

 

Werke der Barmherzigkeit… Der emeritierte Bischof von Erfurt, Wanke, hat das in einer seiner Predigten sehr prägnant in die Jetztzeit übertragen, in dem er sieben Werke der Barmherzigkeit für das heutige Thüringen formuliert hat: ich besuche dich, ich bete für dich, ich teile mit dir, ich höre dir zu… all das hat Elisabeth getan, sie hat ein Stück von sich für die Menschen gegeben, sich gleichsam verschenkt und war so durchlässig, ja, durchscheinend für Gottes Liebe.

 

Gerade weil vieles von ihrem Tun im Alltag der einfachen Menschen verwurzelt, so einfach und so menschlich war, wird sie bis heute als  Heilige der Caritas verehrt und kann auch für uns ein Vorbild sein. Das, was sie tat, kann quasi jeder tun: Es ist nicht mehr und nicht weniger als die Hinwendung zum Menschen und seiner konkreten Not. Nachfolge Christi heißt nicht gleich die ganze Welt retten, sondern im Kleinen, eben mit einem guten Wort oder einem Lächeln Steinchen für Steinchen am Reiche Gottes mitbauen. „Überall, wo Lasten mitgetragen, Leid gemindert, Schuld vergeben, Versöhnung ermöglicht, eben, wo barmherzig gehandelt wird, wird Gott verherrlicht – und darin der Mensch groß gemacht.“ hat der schon zitierte Bischof Wanke 2007 bei der Elisabethwallfahrt in Erfurt gesagt.

 

Unzählige Frauen und Männer haben sich im Deutschen Orden bemüht, dies zu tun, still und oft unbeachtet, aber dem Gedanken der Gründer und der Hl. Elisabeth, der Heiligen der Nächstenliebe folgend.  Sie haben so der Liebe Gottes ein Gesicht gegeben und tun es noch immer. Dafür dürfen wir dankbar sein und auch künftig die Fürsprache der Heiligen Elisabeth erbitten.

 

 

 

 

+ Frank Bayard

Hochmeister