Von Akkon zur Marienburg
Der Deutsche Orden, dessen Mitglieder sich nach dem ehemaligen deutschen Spital in Jerusalem „Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem“ nannten, wurde 1190 in Akkon gegründet, zunächst als Spitalbruderschaft und seit 1198 auch als ritterliche Gemeinschaft zum Schutz der Pilger im Heiligen Land.
Nach Johannitern und Templern war der Deutsche Orden der dritte der großen geistlichen Ritterorden der Kreuzzugszeit. Fast 100 Jahre jünger als jene, folgte er im wesentlichen den von ihnen vorgebildeten Regeln und Organisationsmustern. Nach dem Vorbild der Templer wurde der weiße Mantel übernommen; an die Stelle des roten trat das schwarze Kreuz.
Früh bemühte man sich um Einsatzgebiete außerhalb des Heiligen Landes. Unter dem bedeutenden Hochmeister Hermann von Salza (1209 – 1239), einem Vertrauten Kaiser Friedrichs II., fand man solche zunächst kurzzeitig im siebenbürgischen Burzenland, dann, einem Hilfegesuch des Herzogs von Masowien folgend, im Kulmer Land am Unterlauf der Weichsel. Von hier aus gelang dem Orden im Kampf gegen die heidnischen Pruzzen die Errichtung eines geschlossenen Herrschaftsgebiets, das nach der Vereinigung mit dem Schwertbrüderorden zeitweise von der Grenze Pommerns bis zum Finnischen Meerbusen reichte. Nach dem Verlust Akkons 1291 verlegte der Hochmeister seinen Amtssitz zuerst nach Venedig, dann 1309 in die Marienburg.
Der Staat des Deutschen Ordens
Vom Hochmeister und seinem Verwaltungsstab nach modern anmutenden Richtlinien straff geführt, wuchs der Ordensstaat zur stärksten Macht im Ostseeraum heran. Eine hoch entwickelte zentrale Finanzverwaltung lieferte für die staatlichen und militärischen Aufgaben hinreichende Einkünfte. Am Ausbau der eroberten Gebiete waren Siedler aus allen Teilen des Reiches beteiligt; nach und nach wuchsen sie mit der alteingesessenen preußischen Bevölkerung zusammen. Zur Sicherung wurden die Landschaften mit einem Netz von Burgen überzogen; zur Förderung wirtschaftlicher Prosperität gründete der Orden zahlreiche Städte.
Dem Hochmeister standen in der Leitung des Ordensstaates fünf Großgebietiger zur Seite. Während der Hochmeister, der Großkomtur und der Treßler (Schatzmeister) in der Marienburg residierten, hatte der Spitler (Leiter des Hospitalwesens) seinen Sitz in Elbing, der Trapier (verantwortlich für Bekleidung und Ausrüstung) in Christburg und der Marschall (Chef des militärischen Bereichs) in Königsberg. Generalprokuratoren bei der Kurie lieferten über ein gut organisiertes Botensystem der Ordensleitung detaillierte Informationen über die jeweilige Lage im Reich und in Europa.
In seiner Frühzeit rekrutierte sich der Orden vorwiegend aus den nachgeborenen Söhnen des niederen Adel. Den Ritterbrüdern gleichberechtigt waren die Priesterbrüder. Ihnen oblag die Feier des Offiziums und die seelsorgliche Betreuung der Mitbrüder, ferner die Pflege von Kunst und Wissenschaft. Ihre Geltung nahm freilich im 14. und 15. Jahrhundert gegenüber den Ritterbrüdern ab. Weitere Gruppen von Ordensmitgliedern waren die nichtadligen Sariantbrüder (Leichtbewaffnete und niedere Amtsträger), die Halbbrüder und Halbschwestern (im Kranken- und Wirtschaftsdienst).
Im Ordensland entwickelte sich eine nicht unbedeutende Literatur, die, von der Ordensleitung gefördert und gelenkt, auf die Bedürfnisse des Ordens abgestimmt war. Themen waren vor allem die Geschichte des Ordens, die Heilige Schrift und das Leben der Heiligen. Einige dieser Werke, etwa das Passional und das Väterbuch, wirkten bis in die heutige Zeit fort.
Auseinandersetzungen mit den aufbegehrenden Ständen, die sich in ihrer Selbstbehauptung gegen den Orden gelegentlich auch mit Polen verbündeten, und die 1386 vollzogene Vereinigung des christlich gewordenen Litauen mit Polen unter dem Großfürsten Jagiello führten 1410 zur schweren Niederlage des Ordens bei Tannenberg und brachen dessen Vormachtstellung. Der Übertritt des Hochmeisters Albrecht von Brandenburg zum evangelischen Glauben 1525 und die Umwandlung des nach dem ersten und zweiten Thorner Frieden (1411 und 1466) verbliebenen Ordenslandes in ein weltliches erbliches Herzogtum beendeten schließlich die Herrschaft des Deutschen Ordens im preußischen und baltischen Raum.
Der Deutsche Orden im Reich: Aufstieg und Krise
Im Reichsgebiet hatte der Deutsche Orden schon früh vielerorts festen Fuß gefasst. Viele Schenkungen und andere Übereignungen verschafften ihm umfangreichen Grundbesitz. Er wurde von Kommenden verwaltet, die im Reichsgebiet (1280) in 13 Ordensprovinzen, Balleien genannt, zusammengefasst waren. Oberster Amtsträger des Ordens im Reich war der Deutschmeister, dieser wurde bereits 1494 von Kaiser Maximilian in den Reichsfürstenstand erhoben. Das 15. und beginnende 16. Jahrhundert war für den Orden eine schwierige Zeiten. Abgesehen von den bedrohlichen Machteinbußen im Osten seit 1466, gefährdeten die Hussitenstürme den Bestand der Ballei Böhmen. In Südeuropa mussten wichtige Außenpositionen – etwa Apulien und Sizilien – aufgegeben werden.
Nach dem Staatsstreich Albrechts von Brandenburg verblieben als Ordensgebiet nur noch die Balleien im Reich. Zusätzlich wurde die Macht des Ordens durch die Bauernkriege erschüttert, die gerade sein Kerngebiet – den Südwesten des Reichs – verwüsteten und die Burg Horneck am Neckar, den Sitz des Deutschmeisters, zerstörten. Da die Reformatoren das Ordensleben als etwas Naturwidriges ablehnten, stellte die neue Lehre auch das innere Leben des Ordens in Frage. Zahlreiche Ritterbrüder und vor allem Priesterbrüder legten ihr Ordenskleid ab, nachdem schon in den zurückliegenden Jahrzehnten die anderen Ordenszweige aufgegeben worden waren.
Konsolidierung und innere Erneuerung nach der Reform
Unter dem Deutschmeister Walther von Cronberg (1525 – 1543) gelang die äußere Konsolidierung des Ordens. Vom Kaiser erhielt er 1527 die Berechtigung, sich „Administrator des Hochmeistertums“ zu nennen und damit den Besitzanspruch auf Preußen aufrechtzuerhalten. Aus dieser Bezeichnung entstand später der Kurztitel „Hoch- und Deutschmeister“. Auf dem Frankfurter Generalkapitel 1529 wurde die „Cronbergsche Konstitution“ erlassen: das zukünftige Verfassungsgesetz der Adelskorporation. Residenz des Ordensoberhauptes und zugleich Sitz der Zentralbehörden der dem Hochmeister unmittelbar unterstellten Gebiete wurde Mergentheim. Außerhalb dieses sich neu formierenden Ordensstaates, der seine Landeshoheit konsequent ausbaute, entwickelten sich die von den Landkomturen geführten Balleien zu weitgehend selbständigen Gebilden; einige von ihnen hatten den Rang von Reichsständen und rangierten in der Matrikel in der Gruppe der Prälaten.
In Thüringen, Sachsen, Hessen und Utrecht, wo sich die neue Lehre fest etabliert hatte, gab es auch lutherische und reformierte Ordensbrüder, die sich – dem korporativen Denken des Adels folgend – dem Hochmeister gegenüber loyal verhielten, auch im Zölibat lebten und nur die Gelübdeformel durch einen Eid ersetzten. Zum ersten Mal 1590 und später immer häufiger wählte man den Hoch- und Deutschmeister aus führenden Geschlechtern katholischer Territorialstaaten, vor allem aus dem Haus Österreich. Dies schuf neue familiäre und politische Querverbindungen zum deutschen Hochadel, ließ aber auch den Orden mehr und mehr zu einem Objekt habsburgischer Politik werden.
In diesem Rahmen begann im Laufe des 16. Jahrhunderts die innere Erneuerung des Ordens. Nach den Umwälzungen der vergangenen Zeit war es dessen Aufgabe, seinen Standort neu zu bestimmen und die ursprünglichen Forderungen der Ordensregel auf die veränderten Verhältnisse der Gegenwart zu beziehen. So rief die katholische Reform den Orden zu seinen geistlichen Pflichten zurück. Gerade auf diesem Gebiet gab es viel zu tun. Das eher auf Exklusivität drängende Standesdenken des Adels hatte die Bedeutung der meist nichtadligen Priesterbrüder zurückgedrängt. Im Generalkapitel hatten sie in der Neuzeit weder Sitz noch Stimme. Die Seelsorge in den Kommenden lag oft in den Händen von Angehörigen anderer Orden. Seit Laien mit juristischer Ausbildung in den Kanzleien des Ordens arbeiteten, war auch dieser Dienst für Priesterbrüder versperrt. Aus all diesen Gründen war die Zahl der Priesterbrüder stark gesunken.
Die Ordensleitung beschloss, den Forderungen des Konzils von Trient folgend, Priesterseminare zu errichten: das erste 1574 in Köln, das zweite 1606 in Mergentheim. Gründer des letzteren war Hochmeister Erzherzog Maximilian von Österreich (1590 – 1618), dessen Initiative es zuzuschreiben war, dass Tirol katholisch blieb. Künftig spielten die Ordensniederlassungen in evangelisch gewordenen Städten bei der Seelsorge für durchreisende Katholiken oder für die wenigen dort verbliebenen Altgläubigen eine wichtige Rolle. Auch gewann in einigen Kommenden der Gedanke der Hospitalität wieder an Boden, wie die Errichtung eines dreistöckigen Spitals 1568 in Sachsenhausen (Frankfurt) zeigt.
Als wichtigste Aufgabe betrachtete der Orden jedoch den kampfbereiten Einsatz der Ritterbrüder, die sich seit dem 17. Jahrhundert auch „cavalliere“ nannten, bei Aufgaben für Kaiser und Reich, vor allem bei solchen, die der Verteidigung des Glaubens dienten. Hierfür boten die Türkenkriege das wichtigste Feld. Trotz finanzieller Nöte leistete der Orden erhebliche Beiträge für die Türkenhilfe. Ritterbrüder dienten als Offiziere in Truppen von katholischen Reichsfürsten und in der kaiserlichen Armee. Seit 1696 stellte der Orden das Regiment „Hoch- und Deutschmeister“; das spätere Wiener Hausregiment. Alle jungen Ritterbrüder hatten ihr exercitium militare abzuleisten: sie mussten für drei Jahre als Offiziere in einer Grenzburg dienen, ehe sie Ordensämter übernahmen.
Nach den Nöten des Dreißigjährigen Krieges begann im Orden eine rege Bautätigkeit. Prächtige Schlösser, oft verbunden mit mächtigen Schlosskirchen, und repräsentative Kommendenhäuser wurden errichtet: in Ellingen, Nürnberg, Sachsenhausen, Altshausen, Beuggen, Altenbiesen und an vielen anderen Orten. Daneben entstanden zahlreiche neue, reich ausgestattete Dorf- und Stadtkirchen sowie Zweckbauten, wie Hospitäler, Rat-, Schul- und Bürgerhäuser, Gewerbegebäude, Mühlen, Brücken und andere. Sie legen Zeugnis ab von der bedeutenden kulturellen Leistung des Ordens im Reichsgebiet.
Französische Revolution und Napoleons Diktat
Frankreichs Revolutionskriege im ausgehenden 18. Jahrhundert leiteten die zweite große Krise des Ordens ein. Mit der Abtretung des linken Rheinufers an Napoleon gingen die Balleien Elsaß und Lothringen ganz, Koblenz und Biesen zum größeren Teil verloren. Der Friede von Preßburg 1805 bestimmte, daß die Besitzungen des Deutschen Ordens und das Amt des Hoch- und Deutschmeisters erblich an das Haus Österreich übergehen sollten. Zwar ließ Kaiser Franz den Orden, dessen Hochmeister sein Bruder Viktor war, unangetastet; Amt und Orden waren aber künftig eingebunden in die Souveränität Österreichs. Am 24. April 1809 erklärte Napoleon den Orden in den Rheinbundstaaten für aufgelöst; der Ordensbesitz wurde an die Fürsten des Rheinbundes abgetreten. Dem Orden verblieben nur noch die Besitzungen in Schlesien und Böhmen sowie die Ballei Österreich mit Ausnahme der an die illyrischen Provinzen abgetretenen Kommenden (Krain). Die Ballei An der Etsch (Tirol) war an die Königreiche Bayern und Italien gefallen. Zwar kehrten beim Wiener Kongress 1815 die Krain und Tirol an Österreich zurück und damit die noch nicht verkauften Besitzungen an den Orden. An die Wiederherstellung einer eigenen Souveränität des klein gewordenen Ordens war aber nicht zu denken.
Der Deutsche Orden im Schutze Habsburgs
Es war Kaiser Franz I. von Österreich, der nach Jahren der Ungewissheit über die Zukunft des Ordens neue Wege öffnete. Im Jahre 1834 verzichtete er auf alle Anrechte aus dem Artikel 12 des Preßburger Friedens und setzte damit den Orden wieder in alle früheren Rechte und Pflichten ein. Der Orden wurde aus der Oberaufsicht der landesfürstlichen Behörde entlassen und erhielt den Rang eines selbständigen geistlichen Instituts, das nur durch das Lehensband mit dem Kaisertum verknüpft war. Diese weise Rechtsfigur verhinderte etwa 100 Jahre später, bei der Auflösung der Donaumonarchie, dass der Orden als österreichischer Ehrenorden verstanden wurde, dessen Güter Eigentum des Hauses Habsburg wären und somit von den Nachfolgestaaten hätten eingezogen werden können. Auf diesen kaiserlichen Beschluss hin nahm das Großkapitel des Ordens eine neue Verfassung an, die „Statuten des Deutschen Ritterordens“, und ließ sie 1840 vom Kaiser bestätigen.
Der Aufschwung, den der Orden in den nächsten Jahrzehnten nahm, war vor allem zwei Personen zu verdanken: dem Hochmeister Erzherzog Maximilian (Hochmeister 1835 – 1863), einem Mann von großer Frömmigkeit und strenger Lebensführung, und P. Peter Rigler (1796-1873), Theologieprofessor aus Trient, der 1842 in Bozen die Ordensprofess ablegte und zusammen mit Hochmeister Maximilian zur treibenden Kraft der Ordensreform wurde. Um den Orden seinen ursprünglichen Bestimmungen näherzuführen, wurde 1840 das mittelalterliche Institut der Deutschordensschwestern wieder belebt und 1842 der Versuch eingeleitet, die Ordenspriester, die bisher verstreut in ihren Ordenspfarreien lebten, fester zu Gemeinschaften, Konvente genannt, zusammenzuführen. 1854 bestätigte Papst Pius IX. das Schwesterninstitut und die „Regeln der Schwestern vom Deutschen Hause Sankt Marien zu Jerusalem“. Durch Beschluss des Großkapitels wurde es 1855 in den Deutschen Ritterorden inkorporiert. Damals zählte das Institut bereits 120 Mitglieder, verteilt auf 3 Mutterhäuser in Lanegg, Troppau und Freudenthal mit ihren Filialen. Weitere Häuser wurden in Friesach (Kärnten) und in Friedau (heute Slowenien) errichtet. 1855 wurde unter P. Riglers Leitung in Lana der erste, 1858 in Mähren (seit 1866 in Troppau) der zweite Priesterkonvent gegründet. Ihre Regel wurde 1865 vom Großkapitel, 1866 vom Kaiser anerkannt und 1871 von Papst Pius IX. als „Regel der Konventsbrüder des Deutschen Hauses“ bestätigt. Aus beiden Konventen kam eine große Zahl von Priestern, die der Orden für seine Pfarreien und für die geistliche Leitung der Schwestern brauchte. 1897 wurden in Laibach, 1924 in Gumpoldskirchen weitere Konvente errichtet.
Die Ritter des Ordens wandten sich seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts dem Kriegssanitätswesen zu, auch im Gedenken an den Ursprung des Ordens in einem Feldlazarett bei Akkon 1190. Anlass war unter anderem das allgemeine Entsetzen über das Elend der Kriegsverletzten in der Schlacht von Solferino (1859). Mehrfach schon im 19. Jahrhundert, vor allem aber im Ersten Weltkrieg richtete der Orden Feldspitäler ein. Um die nötigen Geldsummen aufzubringen, wurden alle Ordensritter zu jährlichen Beiträgen verpflichtet und dazu im Jahre 1866 das Institut der Ehrenritter, 1871 das der Marianer des Deutschen Ordens geschaffen.
Der geistliche Deutsche Orden
Der Zusammenbruch der Donaumonarchie 1918 zerriss den Deutschen Orden in vier durch Staatsgrenzen getrennte Provinzen: Österreich, Italien für Südtirol, Tschechoslowakei und Jugoslawien. Nur in Österreich schienen Chancen für das Überleben des Ordens zu bestehen. In den anderen Nachfolgestaaten wurde der Orden zunächst als ein Habsbuger Ehrenorden betrachtet, und es drohte die Enteignung des Vermögens als vermeintliches Eigentum Habsburgs. Daraufhin verzichtete Hochmeister Erzherzog Eugen 1923 auf sein Amt, ließ den Ordenspriester Norbert Klein, damals Bischof von Brünn, zum Koadjutor wählen und dankte gleichzeitig ab. Damit war Bischof Klein Hochmeister.
Bis Ende 1927 erkannten nun alle Nachfolgestaaten der Donaumonarchie den Deutschen Orden als geistlichen Orden an. In der neuen Regel, die 1929 von Papst Pius XI. gutgeheißen wurde, lag die Generalleitung des Ordens in den Händen von Priestern, die Provinzleitung übernahmen die Prioren bzw. die Provinzoberinnen. 1936 gewährte der Papst das Privileg, dass die Kongregation der Deutschordensschwestern unter der unmittelbaren Leitung des Hochmeisters und des General-kapitels des Ordens stehen dürfe.
Die beginnende Aufbauarbeit wurde durch die Nationalsozialisten zerschlagen. 1938 wurde der Deutsche Orden in Österreich, 1939 in der von Hitler annektierten Tschechoslowakei verboten. In Jugoslawien wurde er infolge der Kriegs- und Nachkriegsereignisse verfolgt, in Südtirol hatte er unter dem Faschismus zu leiden.
Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg
Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltete sich schwierig. Nur in Österreich wurde das Aufhebungsdekret 1947 annulliert und das Vermögen dem Orden zurückgegeben. Dort und in Südtirol kehrte der Orden seit Ende der vierziger Jahre zu den Aufgaben zurück, denen er wärend des Nationalsozialismus und des Krieges nicht nachkommen konnte: Krankenpflege, Dienst in Kindergärten, (Fach-)Schulen, Schüler-, Studenten- und Altersheimen, Errichtung und Ausbau entsprechender Einrichtungen, Versorgung von Pfarreien, Ausbildung des Ordensnachwuchses. 1957 wurde in Rom ein Haus als Sitz des Generalprokurators des Ordens gekauft; es dient zugleich als Pilgerhaus.
In Jugoslawien gelang den Brüdern und Schwestern nach Jahren der Unterdrückung ein bescheidener Neuanfang; aus der Tschechoslowakei wurden sie ausgewiesen. Diese heimatvertriebenen Brüder und Schwestern brachten nach 140 Jahren den Orden wieder nach Deutschland, sein ursprüngliches Stammland, zurück. Die Brüder gründeten 1949 einen Konvent in Darmstadt, übernahmen 1963 die Pfarrei Deutschorden in Sachsenhausen und wirkten in den Diasporakuratien Wetter und Industriehof unweit Marburg. 1964 wagten sie sogar die Errichtung einer Missionsstation: sie übernahmen eine Diaspora-Pfarrei in Lidköping in Schweden; leider musste sie 1983 wegen Personalmangels aufgegeben werden. Die Schwestern fanden vielerorts in Fachschulen, Kindergärten, Heimen, Spitälern sowie in der Alten- und Armenbetreuung neue Arbeitsfelder. 1953 wurde für sie in Passau, im ehemaligen Augustinerchorherrenstift St. Nikola, ein Mutterhaus geschaffen.
Obwohl bei der Neufassung der Regel 1929 die Einrichtung der Ehrenritter und Marianer erloschen war, nahmen auch Laien weiterhin Anteil am Orden und zeigten Bereitschaft, sich für dessen Ziele einzusetzen. Die ersten Neuanfänge einer solchen Mitarbeit wurden durch das Eingreifen des Nationalsozialismus unterbrochen. In den fünfziger Jahren wurden die Institute der Ehrenritter und Familiaren zügig aufgebaut. Ihr Statut wurde 1965 von Papst Paul Vl. bestätigt.
Der Deutsche Orden heute
Der Deutsche Orden mit dem offiziellen Titel „Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem“ ist ein geistlicher Orden. Seine Hauptträger sind demnach Priester mit feierlicher Profess; zu ihrer Gemeinschaft zählen auch Laienbrüder mit einfachen ewigen Gelübden. Dem Orden sind die Deutschordensschwestern inkorporiert. Sie sind in ihren Provinzen selbstständig; haben aber im Generalkapitel Sitz und Stimmen. Ihr Generaloberer ist der Hochmeister .
Das Institut der Familiaren, das im Allgemeinen aus Laien besteht, ist dem Orden geistlich angegliedert; seine Mitglieder legen jedoch keine Ordensgelübde ab.
Die Brüder und Schwestern verteilen sich jeweils auf fünf Provinzen: Österreich, Südtirol-Italien, Slowenien, Deutschland und Tschechien/Slowakei. Die Familiaren gliedern sich in die Balleien Deutschland, Österreich, Südtirol, „Ad Tiberim“ in Rom und die Ballei Tschechien/Slowakei sowie in die selbständige Komturei „Alden Biesen“ in Belgien; außerdem gibt es noch Familiaren verstreut in anderen Ländern.