Am Karsamstag verharrt die Kirche am Grab, die Grabesruhe, die den Karfreitag gleichsam beschließt, setzt sich fort, die Anspannung wird sich erst im Halleluja der Osternacht lösen.
Epiphanius (+ 535) zugeschrieben
Aus einer Homilie am großen und heiligen Sabbat.
Der Abstieg des Herrn in die Welt des Todes
Was ist das? Tiefes Schweigen herrscht heute auf der Erde, tiefes Schweigen und Ein-samkeit. Tiefes Schweigen, weil der König ruht. „Furcht packt die Erde, und sie ver-stummt“, weil Gott ― als Mensch ― in Schlaf gesunken ist und Menschen auferweckt hat, die seit unvordenklicher Zeit schlafen. Gott ist – als Mensch – gestorben, und die Unterwelt erbebt. Gott ist für kurze Zeit in Schlaf gesunken und hat die in der Welt des Todes auferweckt. Er geht auf die Suche nach dem erstgeschaffenen Menschen wie nach dem verlorenen Schaf. Besuchen will er, „die völlig in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes“. Er kommt, um den gefangenen Adam und die mitgefangene Eva von ihren Schmerzen zu erlösen, er, zugleich Gott und der Eva Sohn. Er fasst Adam bei der Hand, hebt ihn auf und spricht: „Wach auf, Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein!“ Ich habe dich nicht geschaffen, damit du im Ge-fängnis der Unterwelt festgehalten wirst. „Steh auf von den Toten!“ Ich bin das Leben der Toten. Steh auf, mein Geschöpf, steh auf, meine Gestalt, nach meinem Abbild ge-schaffen! Erhebe dich, lass uns weggehen von hier! Du bist in mir und ich in dir, wir sind eine unteilbare Person. Deinetwegen wurde ich dein Sohn, ich, dein Gott. Für dich nahm ich, der Herr, deine Knechtsgestalt an. Für dich kam ich auf die Erde und unter die Erde, ich, der über den Himmeln thront. Für dich, den Menschen, bin ich ein Mensch geworden „ohne Hilfe, frei unter den Toten“. Du wurdest vom Garten ausge-stoßen, ich wurde vom Garten aus den Juden überliefert und in einem Garten begra-ben. Sieh den Speichel in meinem Gesicht! Deinetwegen ließ ich es geschehen, um dir den Anhauch des Ursprungs wiederzugeben. Sieh die Backenstreiche, die ich empfing, um deine verderbte Gestalt nach meinem Bild wiederherzustellen.
Sieh die Spur der Geißelhiebe auf meinem Rücken, die ich mir gefallen ließ, um deine Sünden zu vernichten, die auf deinem Rücken lasten. Sieh meine Hände, die so glück-verheißend mit Nägeln an das Kreuz geheftet sind, deinetwegen: denn du strecktest einst zu deinem Unglück deine Hände aus nach dem Holz. Ich entschlief am Kreuz, und die Lanze durchbohrte meine Seite, für dich, denn im Paradies fielst du in Schlaf und brachtest aus deiner Seite Eva hervor. Meine Seite heilte die Wunden deiner Seite. Mein Schlaf wird dich aus dem Schlaf der Totenwelt herausführen.