Am Fest der Kreuzerhöhung 2024 wurde für die neue Provinz Österreich-Italien in der Heilig-Kreuz-Kirche in Lana durch Handauflegung und Gebet des Diözesanbischofs von Boxen-Brixen Dr. Ivo Muser, P. Stefan Walder OT zum Priester geweiht.

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Aus der Predigt von Bischof Ivo Muser:

Es ist ein uralter Traum der Menschheit, unverwundbar zu sein. Sagen erzählen davon. Viele von uns kennen sicher das Nibelungenlied: Siegfried, der große Held, tötet den Drachen. Er badet sich in dessen Blut und wird dadurch unverwundbar. Kein Schwert kann ihm etwas anhaben. Doch während er sich im Drachenblut badet, fällt ein Lindenblatt auf seine Schulter. Das ist die schwache Stelle, die eine wunde Stelle, die ihm bleibt – und an dieser Stelle wird er einmal tödlich getroffen werden.

Die griechische Sage erzählt von Achill, dem großen Helden von Troia. Seine Mutter will ihn unmittelbar nach der Geburt unverwundbar machen. Sie taucht ihn in das Feuer und in das Wasser. Aber sie muss ihn dabei an der Ferse festhalten. Das bleibt die wunde Stelle seines Lebens, die berühmte Achillesverse.

Warum faszinieren uns solche Gestalten? Filme, Werbungen, Sportstadien, Illustrierte sind voll von Siegfriedstypen, von Helden, die nicht zu schlagen sind, scheinbar, zumindest für kurze Zeit unangreifbar. In ihnen allen spiegelt sich der uralte Traum, unverwundbar zu sein und immer zu siegen. Wie oft begegnet uns heute dieser Traum: Nur der gesunde, der attraktive, der leistungsfähige, der schöne, der anziehende, der sportliche, der produktive und effiziente Mensch ist gefragt und „in“. Wie oft träumen wir diesen Traum, diese Illusion mit. Wenn es dabei nur nicht die wunde Stelle gäbe!

Nichts fällt uns Menschen so schwer, als dass wir uns unsere Verletzlichkeit, Endlichkeit und Sterblichkeit eingestehen. Was wird nicht alles getan, diese Wahrheit zu überspielen. Sicherheit ist in unserer Gesellschaft zu einem Heilswort geworden – auch als Abgrenzung und als Ausgrenzung von Menschen und ganzen Menschengruppen. Man will sich gegenüber allem und jedem versichern. Was wir erreicht und aus uns gemacht haben, soll auf jeden Fall und um jeden Preis gesichert, versichert und verteidigt werden. Und wenn etwas geschieht, unerwartet und ungeplant, ist die erste Frage: Wer ist schuld? Wer kann zur Rechenschaft gezogen werden? Gibt es eine Versicherung, die bezahlt?

Der christliche Glauben ist dem Traum der Unverwundbarkeit und der Illusion, alles zu sichern und zu versichern, diametral entgegengesetzt. Dieser Glaube sagt: Das Heil des Menschen kommt aus den Wunden. Jesus ist den Verwundeten nachgegangen, ohne Berührungsangst. Er hat die wunden Stellen der Menschen durchlitten. Er ist kein Super – Siegfried und kein Super – Achill. Er hat sich lieber verwunden lassen als andere zu verwunden. Das Kreuz, d a s Zeichen dieses Glaubens, zeigt in aller Öffentlichkeit, wie tief er verwundet ist. Die Wunden gehören für immer zu Jesus, auch nach der Auferstehung. Sie sind nicht mehr Zeichen der Abwesenheit Gottes, sondern der Ort der Gottesbegegnung. Wunden annehmen können ist der Sieg, den er errungen hat.

Je älter ich werde, überzeugt mich am christlichen Glauben nichts so sehr wie diese Wahrheit: Unser Gott hat sich in Jesus verwundbar gemacht. Er geht an den offenen Wunden nicht vorbei, er trägt sie selbst, und er hat die österliche Kraft, sie zu wandeln.

[…]

Lieber P. Stefan, vergiss nie diese biblischen Texte, die am Tag deiner Priesterweihe verkündet worden sind. Lass dich von ihnen begleiten, herausfordern und formen. Die Fruchtbarkeit deines priesterlichen Dienstes erwächst nicht aus deinem Können, sondern aus dem Kreuz Christi. Wenn ich dir bald Brot und Wein für die Feier der Eucharistie überreiche, werde ich zu dir sagen: „Empfange die Gaben des Volkes für die Feier des Opfers. Bedenke, was du tust; ahme nach, was du vollziehst und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes“. Du sollst dich selbst und deinen Dienst – jeden Tag neu, bei jeder Eucharistiefeier – in Zusammenhang bringen mit der Quelle aller Fruchtbarkeit, mit dem gekreuzigten Herrn, der zugleich der Auferstandene ist. Dann wird nichts, was du in seinem Namen tust, vergeblich sein.

Wenn du dich gleich auf den Boden legst, dann soll das ein sprechendes Zeichen dafür sein, dass du mit Jesus in die Tiefe gehst und auch zu denen, die am Boden liegen, niedergeschlagen durch was und wen auch immer. Auf der Seite Jesu, des Mensch Gewordenen und Gekreuzigten, stehen nur diejenigen, die auf der Seite der Menschen stehen. Dieser Weg in die Tiefe ist der Tiefgang des Glaubens! Das ist allen Getauften und Gefirmten, und selbstverständlich auch uns Priestern und Bischöfen ins Stammbuch geschrieben.

Lieber P. Stefan, die Kirche ist, so sagen gleich mehrere Kirchenväter, aus Jesu Seitenwunde geboren worden. Da also kommen wir her, aus einer Wunde. Du wirst in dieser Stunde durch das apostolische Zeichen meiner Handauflegung und durch das Weihegebet zum Priester dieser Kirche. Mit allem, was dir heute übertragen und anvertraut wird, sollst du Christus darstellen. „In persona Christi agere“, in der Person Christi handeln, so sagt es ganz komprimiert der Glaube der Kirche. Das ist etwas Großes, viel größer als du selber und als alles, was du bist, was du kannst und was du gelernt hast. Du wirst Priester in der Gemeinschaft des Deutschen Ordens. Die Leitworte eures Ordens lauten: „Helfen – heilen – wehren“. Lass mich diese Leitworte heute, am Hochfest eures Ordens, an dem ich dich jetzt gleich zum Priester weihen werde, so deuten: Wir müssen uns der eigenen Armut und den eigenen Wunden stellen, wenn wir anderen ernsthaft helfen und dienen wollen. Nur über die eigenen Wunden können wir uns den Wunden anderer nähern. Wer heilen will, darf weder sich selbst noch den anderen den Weg durch die eigenen Wunden ersparen. Seelsorge ist dieser Weg: durch die Wunden, die das Leben schlägt, zur Heilung und zum Heil.

>> die gesamte Predigt zum Nachlesen

Das Fest endete nach dem großen Auszug um die Kreuzkirche und durch den Konventshof mit einem Empfang für alle Gläubigen im Pfarrhof.