Der entsprechende Abschnitt in der Chronik gibt die Sichtweise des Ordens auf die Welt sowie die Ideologie seiner Herrschaftsausübung in den unterworfenen Gebieten wieder. Ähnlich schaute der Orden auf sein Wirken, darunter auch auf den Staat in Preußen, der eine sehr funktionale und reife Organisationsform annahm.
Die Rede des Hochmeisters im Großen Rempter anlässlich der Ausstellungseröffnung war gleichzeitig der erste offizielle Auftritt des im vergangenen Jahr neugewählten Ordensoberen im ehemaligen Ordensland. In seiner Ansprache dankte er für die Einladung zu dieser Festveranstaltung und für die Organisation der Ausstellung. Der Besuch von Orten wie der Marienburg ist für den Hochmeister immer auch eine Rückkehr zu den Wurzeln des Ordens.
Die Marienburg ist mehr als nur eine riesige Burganlage, sie verbindet mittelalterliches Repräsentationsbedürfnis und deren Notwendigkeit für einen Reichsfürsten, dem der Hochmeister gleichgestellt war, mit der Spiritualität einer Ordensgemeinschaft, deren Mitglieder Armut, Keuschheit und Gehorsam gelobt haben und die versuchten, zwei große Ideale des Mittelalters, Mönch und Ritter in der Person des geistlichen Ritters zu vereinen – betonte der Hochmeister. Aber was den Orden wirklich ausmacht, sind nicht die Pretiosen, nicht die Urkunden und Handschriften, sondern die Menschen, die diesen Orden geprägt und durch die Zeiten geführt haben, die durch ihr Wirken, oft im Stillen, dazu beigetragen haben, dass das Reich Gottes ein Stück weit wachsen kann, sich die Weisheit ein Haus baut. So sind es auch heute Brüder, Schwestern, Familiarinnen und Familiaren, die diesem Orden ein Gesicht geben und das was ihn trägt, in der Welt leben. An dem Ort, an den sie gestellt sind. Den Organisatoren der Ausstellung wünschte der Hochmeister viele Besucher und Gottes Segen.
Die polnische Regierung repräsentierte der stellvertretende Kulturminister Jarosław Sellin. Die Ausstellungseröffnung wurde begleitet von einem Konzert der Schola Gregoriana Gedanensis unter Leitung von Robert Pożarski, die sich auf den Choral aus den liturgischen Büchern des Deutschen Ordens spezialisiert hat. Die Teilnehmer der Eröffnung hatten anschließend die Möglichkeit die Ausstellung zu besuchen, in der sich unter den mehr als 700 Exponaten auch Stücke aus der Schatzkammer als auch aus dem Deutschordenszentralarchiv (DOZA) in Wien befinden. Die Objekte werden in drei ehemaligen Ordensdormitorien und der Burgkirche nach modernsten muselogischen Kriterien sehr ansprechend präsentiert.
Es ist die erste derart ausführliche und vielfältige Ausstellung in Polen, die das komplexe Thema der Deutschordensherrschaft in Preußen mit all seinen Facetten und Motiven behandelt. Die am Sonnabend eröffnete Ausstellung ist der Beginn einer dreiteiligen Erzählung über die Burg. Die diesjährige Ausstellung ist der mittelalterlichen Marienburg gewidmet, die zweite im kommenden Jahr dem polnischen Malborg (die altpolnische Schreibweise Marienburgs), d.h. der Burg innerhalb der Grenzen der Adelsrepublik. Und in zwei Jahren folgt mit „Die schwarze und weiße Legende des Deutschen Ordens“ die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Die ersten beiden Ausstellungen haben zum Ziel, die Historie der Burg im weiten Geschichtskontext darzustellen, um sich schließlich mit dem auseinanderzusetzen, was die heutige Sichtweise des Deutschen Ordens und die Wahrnehmung der Burg selbst stark beeinflusst: Mythen, Stereotypen, politische Propaganda und Ideologie.
Der erste Besuch des im vorigen Jahr gewählten Hochmeisters weckte großes Interesse – vor allem bei den Burgführern. Gerade dank ihrer täglichen Arbeit können über 700.000 jährliche Besucher nicht nur die Architektur und Ausstattung der Burg bewundern, sondern auch etwas über die ehemaligen Bewohner der Burg und unseren heutigen Orden erfahren.
Die Ausstellung läuft bis zum 17. November dieses Jahres und wird mit einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz vom 15.-17.11.2019 abgeschlossen.
P. Piotr Rychel